Autographen und Buecher

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Eberhard Köstler

Herzlich zugeeignet - Widmungsexemplare und signierte Bücher

Die Frage nach dem Wert eines Buches mit persönlicher Widmung steht im Mittelpunkt einer der zahlreichen Anekdoten, die sich um den irischen Schriftsteller und Nobelpreisträger (1925) George Bernard Shaw (1856-1950) ranken. Man erzählt sich, dass Shaw eines Tages in einem Antiquariat eines seiner eigenen Bücher entdeckt habe, in dem er zu seinem Erstaunen eine eigene und persönliche "hochachtungsvolle" Widmung ausmachte. Er erwarb das Exemplar um einen geringen Preis von dem ahnungslosen Antiquar, um es dem ursprünglichen Widmungsträger "mit erneuter Hochachtung" ein zweites Mal zu überreichen (Fadiman, Anne: Ex libris. Übers. von M. Walz. München 2005; S. 73).

Diese Anekdote beleuchtet eindrücklich die unterschiedlichen Wertbegriffe, nach denen man Widmungsexemplare, hier sogar das eines Nobelpreisträgers, beurteilen kann. Der Widmungsträger hatte das Buch offensichtlich als "wertlos" aus seiner Bibliothek aussortiert, der Autor jedoch war über die ihm dadurch entgegengebrachte Geringschätzung in  seiner Eitelkeit gekränkt genug, um dem Adressaten einen freundlichen Denkzettel zu erteilen und damit auf den Wert seiner Widmung deutlich hinzuweisen. Und der Antiquar? Er hatte offensichtlich den Wert der Widmung nicht erkannt, sei es, dass George Bernard Shaw in seinen Augen (noch) keine Berühmtheit darstellte, sei es, dass er die Schrift von Widmung und Signatur nicht entziffern konnte, sei es, dass er die Widmung schlicht übersehen hatte (was zur Freude der Sammler auch heute noch vorkommt).

Was würde das Exemplar mit der doppelten Widmung wohl heute kosten? Nun, vielleicht handelte es sich ja um das 1992 bei der New Yorker Firma Swann versteigerte Exemplar von "Saint Joan" (1924) mit doppelter Widmung aus der Sammlung Epstein, das damals für 1.800 US$ zugeschlagen wurde? Dann dürfte sich der heutige Preis trotz der relativen Häufigkeit von Widmungsexemplaren Shaws wohl, vorsichtig geschätzt, bei etwa 4.000 bis 5.000 Euro bewegen.

Für einen Antiquar kann eine Widmung in einem Buch je nach Sachlage Glück oder Unglück bedeuten. Unglück, wenn eine unbekannte oder unbedeutende Person durch ihren Widmungseintrag, manchmal sogar unschön auf das Titelblatt aufgebracht, einen bibliophilen Druck oder eine erste Ausgabe verunziert, denn damit bedeutet der Eintrag für ihn und seine Kunden eine unter Umständen erhebliche Wertminderung. Hat hingegen ein bekannter Autor sein Werk mit einer Widmung versehen, vielleicht sogar an eine ebenfalls bedeutende Persönlichkeit aus seinem künstlerischen, beruflichen oder privaten Umfeld, ist das Buch dazu eine seltenere erste oder illustrierte Ausgabe und kann man an die Widmung eine Geschichte knüpfen, die das Wesen des Autors in ein helleres Licht stellt, dann findet in der Regel eine bedeutende Wertsteigerung gegenüber dem unbewidmeten Exemplar statt. Gerade bei englischsprachigen Autoren von internationalem Bekanntheitsgrad wird das deutlich. Die Bücherdatenbank "abebooks.com" hat jüngst die teuersten durch sie vermittelten Widmungsexemplare zu Werbezwecken zusammengestellt. Der Spitzenreiter ist George Orwells Utopie "1984" für 26.500 US$. Orwell starb kurz nach Veröffentlichung seines berühmten Buches an Tuberkulose, was die Seltenheit der Widmungsexemplare erklärt, von denen die meisten wiederum durch den todkranken Verfasser an das Klinikpersonal verschenkt wurden. Eine unbewidmete Erstausgabe von "1984" in tadellosem Zustand kostet dagegen 'nur' etwa 3000 US$. Auch die Bücher von James Joyce werden durch eine interessante Widmung im Preis etwa verzehnfacht, hingegen Burgess' so erfolgreich verfilmtes Buch "Clockwork Orange" lediglich verdoppelt.

Der deutsche Buchmarkt nimmt sich dagegen auch in seinen Spitzenwerten vergleichsweise bescheiden aus. Diese Spitze wird etwa von Widmungsexemplaren von Goethe, Schiller und Hölderlin sowie von dem früh verstorbenen Franz Kafka oder auch Thomas Bernhard markiert. So wurde zum Beispiel vor wenigen Jahren ein Exemplar von Kafkas "Betrachtungen" (1912) mit Widmung an eine Freundin für 46.000 DM auf einer Versteigerung zugeschlagen und kostete damit etwa das 20fache der broschierten Ausgabe. Damals hat sich sogar der Herausgeber der Historisch-Kritischen Kafka-Ausgabe eingehend mit der Widmung und ihren für das Gesamtbild des Verfassers aufschlussreichen Bezügen befasst. Die 'alten Meister' haben ebenfalls ihre stolzen Preise. Widmungsexemplare von Goethe erreichen auf Versteigerungen 10.000 bis 30.000 Euro, je nach Schönheit und Seltenheit des Buches sowie der Bedeutung der, manchmal sogar gereimten, Widmung. Handschriftliche Zueignungen von Hölderlin und Schiller werden dagegen so selten angeboten, dass man sehr hohe Preise erwarten kann, sollte ein entsprechendes Stück einmal zum Verkauf angeboten werden.

Unterhalb dieser preislichen Spitzen wird der Markt wesentlich übersichtlicher und die Preise bewegen sich in Regionen, die vielen Sammlern leichter zugänglich sein werden. Die meisten Widmungsexemplare von deutschen literarischen Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts kann man zu erstaunlich geringen Preisen erhalten. Bücher mit Dedikationen von Carossa, Britting, von der Vring, ja sogar von den Nobelpreisträgern Hauptmann, Hesse, Böll und Grass oder von den bekannten und viel gelesenen Erzählern Ernst Jünger und Martin Walser sind in der Regel für 50 bis 250 Euro zu haben, von den Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie Heyse, Saar, Sudermann, Wildenbruch u. s. w. gar nicht erst zu reden. Allenfalls Fontane, der seine Bücher nicht allzu oft mit Widmungen versehen hat, fällt hier erheblich aus dem Rahmen. Auch Tucholsky, Benn und Karl Kraus ragen aus dem  unteren Preissegment heraus. Mehr als 2000 bis 3000 Euro wird man aber in der Regel momentan auch hier nicht anlegen müssen. Dass man sich mit Geschick und Finderglück auch bei vergleichsweise geringem Geldeinsatz eine reizende und sogar literaturhistorisch aufschlussreiche Sammlung zusammenstellen kann, dafür hat der Münchner Germanist Walter Hettche erfolgreich den Beweis angetreten (vgl. Derselbe, Widmungs-Exempel. In: Der Wühler. Almanach für Bibliophilie und Bibliomanie. Potsdam 2005; S. 3-12).

Eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts bildet, auch hinsichtlich seiner Widmungen, Thomas Mann. Zwar sind die meisten seiner Werke antiquarisch relativ leicht zu erwerben und nur die frühen Veröffentlichungen beginnend mit "Der kleine Herr Friedemann" über "Tristan" bis zu den "Buddenbrooks" sind seltener und entsprechend höher im Preis. Dennoch muss man als Sammler für eine Widmung von Thomas Mann in einem seiner in höheren Auflagen verbreiteten Bücher zwischen 800 und 1500 Euro anlegen, was freilich im direkten Vergleich mit englischsprachigen Autoren von Joyce bis Hemingway erstaunlich wenig ist für einen so weltberühmten Autor. Thomas Mann hat das Verfassen von persönlichen Widmungen als außerordentlich ernstes Tagesgeschäft aufgefasst. So schrieb am 17. Oktober 1936 in einem Brief an Gottfried Bermann Fischer: "Ich dichte jetzt hauptsächlich Widmungen." Oftmals sind seine Widmungen inhaltlich von eigenem Wert oder es lässt sich mit Hilfe der publizierten Tagebücher, Notizbücher, Briefausgaben und -regesten ein ganzes Beziehungsgeflecht an die Widmung anknüpfen. Eine vor wenigen Jahren in Lübeck gezeigte und dabei vortrefflich dokumentierte Ausstellung hat deutlich gezeigt, dass Thomas Manns Widmungen geradezu einen eigenen Werkkorpus darstellen, der wiederum biographische und literarische Erkenntnisse liefert (Herzlich zugeeignet. Widmungen von Thomas Mann. Hrsg. von Gert Heine und Paul Schommer. Lübeck 1998).  So wird ein taubstummer homosexueller Tänzer und Maler, der später seine Bücher ins Exil nach Capri mitgenommen hat, bei einem Besuch mit ebenso ernsthaft und gewissenhaft formulierten Widmungen beschenkt wie bedeutendere Besucher und Zeitgenossen. "Es wäre der Widmende eben nicht Thomas Mann gewesen, wenn nicht auch hier im Einzelfall die souveräne Sprache, die gepflegte Wortwahl und die persönlich gehaltene Ansprache den schöpferischen Duktus des großen Stilisten aufblitzen ließen." (Knut Dorn in: a. a. O. S. 9). Widmungen und signierte Ausgaben von Thomas Mann erfreuen sich übrigens so großer Beliebtheit, dass dem Verfasser dieser Zeilen bereits mehrfach (mehr oder weniger plumpe) Fälschungen vor Augen gekommen sind, vor denen hiermit eindringlich gewarnt sei.

Wer kommt nun als Käufer und Sammler für Widmungsexemplare im Antiquariat in Betracht? Bibliotheken und Archive dürften wohl nur in Ausnahmefällen an diesen Dokumenten der Buchkultur und Werkgeschichte Interesse haben, wenigstens war das in der Vergangenheit der Fall und ändert sich vielleicht zukünftig unter dem Eindruck des neueren Forschungsstandes, wie er in dem vorliegenden Sammelband dokumentiert ist. Wenn nicht gerade ein interessantes Ausstellungsstück gesucht wird oder sich sonst ein enger Bezug zu einem bereits angelegten Bestand nachweisen lässt, passt das Widmungsexemplar offensichtlich nur schlecht in die Ordnungsstruktur einer normalen Bibliothek. Es ist eben ein Zwitterwesen zwischen dem bibliographisch erfassbaren Buch (das oftmals bereits im Bestand vorhanden ist und zu dem ein weiteres Exemplar trotz der Widmung eine Dublette bildet) und den Autographen- bzw. Nachlassbeständen.

Diese Zwitterstellung macht das Widmungsexemplar aber gerade für den privaten Sammler von Büchern und Autographen interessant. Denn jede Widmung in einem Buch, auf einem Musikdruck oder auf einem graphischen Blatt ist immer ein besonderes, ein unerhörtes Ereignis und macht das Objekt zu etwas Einzigartigem, Unverwechselbarem, Individualisiertem. Es hebt sich so aus der Masse der Auflage (und sei diese noch so klein) heraus. Jeden Sammler treibt aber als höchstes Ziel der Wunsch, etwas zu besitzen, das außer ihm kein anderer sein eigen nennen kann. Widmungsexemplare eignen sich vorzüglich, um dieses Ziel zu erreichen.

Das Widmungsexemplar ist sozusagen das "missing link" zwischen der Sammelleidenschaft für Bücher und der für Autographen. "Eine reizvolle Verbindung zwischen Bibliophilie und Autographensammeln stellen die Widmungsexemplare her, - Bücher, in die der Verfasser eine Widmung geschrieben hat. Der Brauch geht bis ins 16te Jahrhundert zurück; die Humanisten und Reformatoren bedienten sich seiner vielfach", so schrieb Günther Mecklenburg bereits in seiner grundlegenden Monographie "Vom Autographensammeln" (Marburg 1963; S. 87) und Hermann Jung setzte später ergänzend hinzu: "Eine in hohem Maße geistigem Genuß dienende Spezialsammlung - am Rande der Autographophilie bereits in die Bibliophilie übergreifend - läßt sich mit Widmungsexemplaren berühmter Persönlichkeiten schaffen, die das Autograph mit einem gedruckten Werk verbinden […] Neben der Länge und Eigentümlichkeit des Widmungseintrages setzen literarischer Rang der Verfasser und Bedeutung des gewidmeten Werkes, in gewissem Maße auch seine Ausstattung und Erhaltung, die Wertmaßstäbe für den Sammler." (Ullstein Autographenbuch. Frankfurt am Main 1971; S. 87).

Das Gebiet der Widmungsexemplare ist jedoch nicht, wie man den bisherigen Ausführungen entnehmen könnte, auf Werke der schönen Literatur beschränkt; mindestens ebenso beliebt sind Musikdrucke mit Widmungen oder eigenhändigen Autorisationsvermerken oder naturwissenschaftliche Werke und hier wiederum besonders Sonder- und Separatdrucke mit den ersten Bekanntmachungen bedeutender Entdeckungen. Als Bespiele seien nur die ersten Darstellungen der von Röntgen entdeckten neuen Art von Strahlen oder von Einsteins Relativitätstheorie genannt. Schon in den Kunsthandel reichen druckgraphische Blätter hinein, die außer Signatur und Auflagenvermerk auch noch eine Widmung oder einen Geschenkvermerk zeigen. Ob hingegen die immer häufiger, etwa aus Anlass von Lesungen, Vorträgen oder Zufallsbekanntschaften gewährten Gefälligkeitssignaturen den Wert eines Buches nachhaltig erhöhen, muss die zukünftige Entwicklung erst zeigen.

Der antiquarische Markt, so klein und unbedeutend er auch volkswirtschaftlich sein mag, ist lebendig und erfreulich vielfältig; der Sammler steht vor einer Vielzahl von Möglichkeiten. Die Bandbreite reicht von der Bücherwühlkiste vor dem Trödlerladen über den Bücherflohmarkt auf der Straße oder in der Halle bis hin zur internationalen Antiquariatsmesse und zum drucktechnisch opulent ausgestatteten Katalog. Dazu treten die Erwerbsmöglichkeiten auf Versteigerungen und über Internetplattformen. Mit Jagdfieber und einer gewissen Risikofreude ausgestattet, kann man als Sammler in Trödelkisten und im Internet immer noch interessante Stücke zu mäßigen Preisen für seine Sammlung entdecken. Beim Erwerb von wertvolleren Stücken bietet jedoch nur der Kauf bei einem erfahrenen Antiquar Schutz vor unliebsamen Enttäuschungen. Nur bei ihm sind die Eintragungen auf ihre Echtheit überprüft und auf ihre biographischen Zusammenhänge untersucht, nur bei ihm hat man die Garantie der Echtheit und die Möglichkeit der Reklamation und Rückgabe in berechtigten Zweifelsfällen.

Wie man sieht, ist die Bewertung von Buchwidmungen aus antiquarischer Sicht keine leichte Sache, da es die verschiedensten Aspekte zu beachten gilt. Es gibt auch keine Faustregeln, da jedes Buch und jede Widmung eingehend nach verschiedenen Richtungen hin geprüft werden muss. Es gibt allerdings Grundregelen, die im Folgenden in Form eines Katalogs von sieben Grundfragen zusammengefasst sein sollen:

  • Wie bedeutend und gesucht sind Bücher und Autographen des Verfassers nach der gegenwärtigen Einschätzung und nach der neueren Preisentwicklung?
  • Wie selten ist das Buch, in das die Widmung geschrieben wurde? Handelt es sich um eine Vorzugsausgabe oder einen seltenen Separatabzug?
  • Wie gut ist das Buch erhalten und ausgestattet?
  • Wie selten sind Widmungen des Autors im allgemeinen?
  • Wie umfangreich ist die Widmung?
  • Ist sie inhaltlich für das Werk, die Weltanschauung oder die Biographie des Verfassers bedeutsam?
  • Ist der Adressat der Widmung ebenfalls eine bedeutende Persönlichkeit oder steht er in persönlich nahem Verhältnis zum Verfasser?

Erst nach gewissenhafter Beantwortung all dieser Fragen und der Abwägung aller Faktoren kann der Antiquar einen Preis bestimmen, der dann auch für den Interessenten oder Käufer in seiner Entscheidung nachvollziehbar ist. Wenn der Käufer ebenfalls imstande ist, für sich diesen Fragenkatalog zu beantworten, zu dem dann vielleicht ein paar weitere subjektive Punkte (Wie gliedert sich das Objekt in meine bisherige und zukünftig geplante Sammlung ein? Wie wichtig ist mir der Autor und die Beschäftigung mit ihm? Wie sind meine finanziellen oder Finanzierungs-Möglichkeiten?) kommen, wird ihm die Entscheidung, ob er seine Sammlung um ein Stück erweitern soll, das ihm über einen längeren Zeitraum Freude, intellektuellen und sinnlichen Genuss bereiten soll, erheblich leichter fallen.

Vortrag gehalten beim Leipziger Bibliophilen Abend 2006.





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